Südkorea befindet sich in der „Yellow Dust“ Saison. Besonders im Frühjahr steigt der Grad der Luftverschmutzung deutlich an, weil sich zu den chinesischen (und sicherlich koreanischen) Abgaswolken nun auch Gobi-Wüstensand gesellt.
Eine Stadt verschwindet im Staub
Am 05.03.2019 klettert der koreanische Luftqualitätsindex (eigentlich Schmutz-Index) auf bis zu 221. In der Hauptstadt Seoul liegen die Werte zumindest am Abend „nur“ um 190 herum. Die fünfteilige Indexskala geht von „Gut“ (unter 50), „Moderat“ (50-100), „Ungesund für empfindliche Gruppen“ (100-150), „Ungesund“ (150-200), „Sehr ungesund“ (200-300) und „Gefährlich“ (300-500).
Ab „Sehr ungesund“ gibt es in Südkorea eine Gesundheitswarnung für alle Personen. Dann werden von der Regierung bzw. den Handyprovidern fleißig Warn-SMS verschickt, in denen u.a. von Outdoor-Aktivitäten abgeraten wird. Außerdem werden am Arbeitsplatz Schutzmasken ausgegeben (leider die billigste und damit unbrauchbare Version).
Korea im internationalen Vergleich
Im internationalen Vergleich ist ein Wert von 221 – am Abend des 05.03. im Ort Hoengseonggung gemessen – aber immer noch ein Peanut. Die Spitze der Hust-Kette bildet die philippinische Hauptstadt Manila mit …. festhalten …. 531. Der Spitzenwert in Mexiko lag heute bei 500 (San Luis Potosí), China stand bei bis zu 400 (Städte Zhaoxian und Xinjiang), die Türkei bei 229 (in Erzurum) und New York-Queens bei 261. In Europa hält noch Norditalien mit immerhin 165 mit
Zur gleichen Zeit: Wien Europaplatz 8 (!!), München 32, Frankfurt am Main 21, Berlin 26 und Basel 35. Da kommt Heimweh auf!
Alle Werte kommen von der Webseite apicn.org
Ein Detail am Rande: Seoul hat die höchste durchschnittliche Feinstaubbelastung unter den Hauptstädten der 31 OECD-Mitgliedsländer.
Was zeigt der Luftqualitätsindex?
Ich bin alles andere, als ein Naturwissenschafter, aber ich versuch’s mal: Der Index berücksichtigt sechs verschiedene Schadstoffwerte: Feinstaub PM2.5, Feinstaub PM10, Ozon, Kohlenmonoxid, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid.
Bei den Spitzenreitern aus dem letzten Absatz offenbaren sich im Detail einige Unterschiede: Südkorea hat ausschließlich Probleme mit PM2,5. Die Phillippinen und China leiden unter PM2,5 und PM10. San Luis Potosí in Mexiko krankt an Schwefeldioxid, New York hauptsächlich an Ozon.
Das Leben in Seoul

Die größte Änderung im Seouler Alltag ist, dass sich nun jeder Smalltalk unweigerlich um das Thema Feinstaub dreht. Ansonsten greifen viele Menschen auf eine einfache Schutzmaske zurück, lassen die Fenster wenn möglich geschlossen und duschen sich geflissentlich vor dem Schlafengehen.
Immer wieder höre ich Geschichten über Menschen, die aktuell über Beschwerden mit Bronchien, Kopfschmerzen oder trockene Augen klagen. Das dürften aber eher vereinzelte Fälle sein, denn in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis ist mir keine massive Gesundheitsverschlechterung aufgefallen.
Die für mich größte Einschränkung betrifft die Bewegungsfreiheit. Von Wanderungen und bereits langen Spaziergängen wird aktuell allen Bürgern abgeraten. Abgesehen von möglichen physischen Effekten leidet auch die Psyche recht fleißig. Das Leben in der scheinbar unbesiegbaren Staubwolke zehrt etwas an den Nerven – insbesondere wenn man hinter dem Feinstaub noch strahlend blauen Himmel und Sonnenschein erahnen kann.
Die Schutzmasken
Einweg-Schutzmasken zu bekommen ist absolut kein Problem. Diese sollte man maximal zwei bis drei Tage verwenden. Man bekommt sie bei den sehr häufigen Apotheken. Diese sind für Reisende am Schild mit dem Symbol 약 erkennbar (gesprochen Yak) – eine Kurzform des Worts für Apotheke: Yakgug.
Zwar gibt es auch in Supermärkten und Convenience Stores Schutzmasken, aber diese sind oft eher als Niesschutz bei Erkältungen oder als Kälteschutz im Winter tauglich. Medizinische Masken, die gegen Feinstaub und Yellow Dust schützen, sind am aufgedrucken KF-Wert zu erkennen. Bei sehr schlechter Luft sollte man zu einer Maske mit KF-94 greifen. Produkte mit einem Wert von weniger als 80 helfen kaum noch gegen Feinstaub.
Wer auf einen Apotheker ohne Englischkenntnisse trifft (durchaus möglich), der möge eine einfache Masken-Pantomime vollführen. Die Dinger sind dermaßen alltäglich, dass eine vage Geste wohl schon verstanden wird.
Tragekomfort
Der Komfort der Schutzmasken ist leider enden wollend. Speziell für Brillenträger sind sie nervig, weil die Atemluft teils nach oben geleitet wird, was dann die Brillengläser anlaufen lässt. Außerdem sollte man nicht außer Atem kommen, denn für Schnappatmung sind die Masken nicht luftdurchlässig genug.
Die Optik ist vielleicht auch sehr ungewohnt, aber ich kann garantieren: in Korea werden Ausländer mit Maske absolut nicht angegafft. Zumindest nicht mehr, also ohne Maske :-).
Ansichten





Die aktuelle Lage
Es ist der 09.03.2019 und ich schreibe diesen Artikel nun zu Ende. Die Lage hat sich normalisiert. Es war eine rekordverdächtig hartnäckige und dichte Staubwolke, die den Himmel verhangen hat. Mit dem allmählichen Frühlingseinzug ab Ende Februar stieg die Belastung massiv an und blieb dann über eine Woche lang äußerst hoch.
Die Frage nach der Ursache der Luftverschmutzung – und insbesondere ihrer stetigen Verschlimmerung – kann ich nicht beantworten. Die koreanische Regierung schiebt sehr gerne den Chinesen die Schuld zu und da ist sicher etwas dran. Die Koreaner tragen allerdings mit ihrer völlig fehlenden Sensibilität für Autoabgase und Plastikmüll sicherlich dazu bei. Und auch wenn’s lustig klingt: die halbe Bevölkerung sitzt abends im Restaurant und grillt (teils über Kohlen) fettes Fleisch. Ich würde gerne mal die Feinstaubwerte nur aus dieser Quelle wissen … ;-).
Für die Zukunft sieht es gut aus: Korea ist noch nicht lange eine Wohlstandsgesellschaft, weshalb noch kaum Bewusstsein für ökologische Probleme existiert. Meiner Einschätzung nach wird sich das in Zukunft ändern. Auf chinesischer Seite werden bereits immer weniger Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zur Produktion zugelassen und Elektromotoren sind schwer im kommen. China – zumindest in dieser Hinsicht ein Vorbild für die Welt?
Gott sei Dank kann ich über dieses Thema wieder auf einer Bergspitze bei (halbwegs) klarer Luft sinnieren. Nochmal tief durchatmen …