Das Nordkorea-Tagebuch, Teil 1

Der Nordkoreagipfel rückt näher, möglicherweise findet er tatsächlich statt. Die Welt dreht sich kurze Zeit um Singapur. Und noch viel wichtiger: die Welt dreht sich um zwei Herren mit lustigen Frisuren. Ich denke, die beiden werden das sehr genießen. Ich genieße das Spektakel auch. Zeit für ein (nicht ganz) unpolitisches Gipfeltagebuch.

Medienschau

Koreas zwei englischsprachige Tageszeitungen, Korea Herald und Korea Times lehnen relativ deutlich Richtung links. Dementsprechend wird dort sehr viel positive Stimmung gemacht. Manchmal ist es so positiv, dass es schon naiv wird. Es gibt natürlich auch eine nationalistisch/rechtsextreme Fraktion in der koreanischen Gesellschaft (ebenso im Parlament), nur die hat – quelle surprise – keine englischsprachigen Medien. Nachdem mein Koreanisch noch auf Babyniveau dahin vegetiert, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf die anglophonen koreanischen Medien, sowie internationale Medien zu konzentrieren.

In Korea

Sieben der acht großen Artikel auf der Webseite der Korea Times drehen sich heute (07.06.) um den Gipfel und seine Begleiterscheinungen. Die Schlagzeile lässt sich übersetzten mit „Wie viele US-Beleidigungen kann Nordkoreas Führer noch ertragen?“. Es dreht sich natürlich alles um die Aussagen von Trumps Anwalt und Berater Rudy Giuliani, der sinngemäß meinte, dass Kim Jong-Un nach Trumps vorübergehender Absage auf allen Vieren um die planmäßige Durchführung des Gipfels gebettelt habe (siehe auch New York Times). Dazu fallen mir ein paar Zeilen eines Austropopklassikers „Für immer jung“ von Ambros/Heller ein: „Ohne Angst und ohne Dummheit, ohne Hochmut sollst du leben.“ Andere Berichte handeln von kleinen Niedlichkeiten, beispielsweise dass China aktuell Internetsuchbegriffe, die Nordkoreas Diktator verunglimpfen („Kim Fatty the Third“ und andere), blockiert und weiter dass ein südkoreanisches Café begonnen hat, die Konterfeis von Südkorea-Präsident Moon und Kim auf seinen Kaffeeschaum zu drucken (dafür gibt es spezielle Maschinen).

Im Korea Herald geht es schon um Detailfragen, nämlich welche Denuklearisierungsstrategie denn für Nordkorea am geeignetsten wäre und wie Südkoreas Finanzbranche sich am profitabelsten den nördlichen Nachbarn einverleiben könnte. Wollen wir hoffen, dass diese Träume nicht ein paar Jahrzehnte zu früh geträumt werden.

In den USA

Das (angeblich) ultrarechte Online-Portal Breitbart veröffentlichte in den letzten drei Tagen sage und schreibe zwanzig Artikel zum Thema Nordkorea. Man berichtet, dass Singapurs Außenminister und – Überraschung! – Syriens Diktator Assad vor dem 12.06. noch Nordkorea besuchen wollen. Wladimir Putin wiederum lädt Kim Jong-Un zu sich nach Moskau ein. Die größte Sensation ist allerdings, dass Kims Busenfreund und Ex-Basketballstar Dennis Rodman den Singapur-Gipfel beehren könnte – auf Wunsch von Herrn Kim höchstpersönlich. Die Brainpower dieses Gipfels nimmt langsam beängstigende Dimensionen an.

Die großen konservativen Youtube-Persönlichkeiten lassen das Thema komplett liegen. Steven Crowder hat sich seit drei Monaten nicht zu Nordkorea geäußert, Ben Shapiro forderte kürzlich nur ein deutlich härteres Vorgehen der USA mit dem Ziel der bedingungslosen Kapitulation Nordkoreas. Man beschäftigt sich lieber mit Trumps gefloppter Einladung an Super-Bowl-Gewinner Philadelphia Eagles (die Mannschaft wollte nicht ins Weiße Haus kommen) und die dadurch entstandene Twitter-Debatte. Man muss eben Prioritäten setzen. Auf der liberalen Seite erwähnt Stephen Colbert in der Late Show, dass Nordkorea nicht für die Unterbringungskosten für den Singapur-Aufenthalt zahlen will (auch nicht für die eigenen Leute) – ohne dafür allerdings eine Quelle zu nennen. Überraschen würde mich das jedenfalls nicht besonders und möglicherweise scheitern große Pläne wirklich an derartigen Kleinigkeiten.

Die New York Times berichtet sehr intensiv. Besonders interessant war für mich ein Artikel, der die Äußerungen aus dem demokratischen Lager zu Trumps Nordkorea-Strategie überraschend scharf kritisiert. Kurz zusammengefasst scheinen die Demokraten mehrheitlich der Meinung zu sein, dass kein plausibler Deal unter den bestehenden Voraussetzung zu Stande kommen kann. Die NYT beschreibt diesen Standpunkt wörtlich als „kindisch“.

In DÖCHL

Österreichs Staatlicher Rundfunkt (ORF) widmet sich auf seinem Online-Portal groß und breit der Geschichte der Insel, auf der Trump und Kim aufeinander treffen werden (könnten). Eine Geschichte, die sehr durch japanischen Imperialismus geprägt wurde. Pst! Lieber ORF, ganz Asien wurde im 20. Jahrhundert durch japanischen Imperialismus geprägt. Das Blut floss in Strömen und ist immer noch nicht ganz getrocknet; in China, in Korea und eben auch in Singapur. Den härtesten Mägen unter euch empfehle ich dazu das vielleicht verstörendste Buch über Kriegsverbrechen, das mir jemals untergekommen ist: „The Rape of Nanking“/“Die Vergewaltigung von Nanking“ von Iris Chang. Eine Zusammenfassung gibt es auf Jocko Willink’s Podcast.

Unter den Zeitungen gibt es keine Musterschüler, die Kronenzeitung beschäftigt sich lieber mit Asylwerbern, Peter Pilz und Kim Kardashian. Auch für die Presse ist das Thema Peter Pilz dominierend.

Die Neue Zürcher Zeitung beschäftigt sich – ähnlich wie der Korea Herald – mit der Frage, wer denn vom Zusammenbruch Nordkoreas am ehesten profitieren könnte. Ihre Antwort: China ja, Japan nein. Auch hier denkt man also schon ein paar Ecken (zuviel?) voraus.

Derweil in Seoul

Menschen schlürfen die aktuell sehr beliebte nordkoreanischen Nudelspezialität Nengmyeon und lassen sich von den Lautsprechern der Parteiautos volldröhnen. Es ist Wahlkampf in Seoul. Es geht um den Bürgermeistersessel. Und die Dinge funktionieren doch ein bisschen anders, als in Österreich. Ob allerdings Nordkorea ein Thema in diesem Regionalwahlkampf ist, kann ich nicht beantworten. Dass Präsident Moon Jae-In ob der Perspektive der erste pankoreanische Präsident werden zu können die Finger jucken, liegt aber wohl auf der Hand.

Der Hauptunterschied im Wahlkampf: Banner statt Dreiecksständer. Und laute fahrende Videowalls:

Da braucht’s zum Ausgleich ein bisschen Austropop. Das erwähnte „Für immer jung“, selbst aufgenommen. Mit Stimmbrüchen, aber dafür authentisch :-).

Und zum Abschluss noch was zu Lachen. Mein neuestes Paar Socken:

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Ich konnte nicht widerstehen :-). Was denkt ihr über Nordkorea? Schreibt ein Kommentar!

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